Dienstag, 22. November 2016

Der Hausvogteiplatz - erst gemieden, dann Modezentrum

Kaum vorzustellen, aber Berlin galt mal was in der Modewelt. Lange vor der Fashion Week im 19. Jahrhundert und vor allem in den Goldenen Zwanzigern verkörperte die Berliner Textilbranche auch international eine tragbare und bezahlbare Mode. Zentrum der Berliner Konfektionsindustrie war der Hausvogteiplatz.
Seinen Namen hat der Platz von der Hausvogtei, dem Untersuchungsgefängnis, das bis 1891 an der Nordseite des Platzes stand. Aber seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert siedelten sich rund um den Platz bedeutende Konfektionshäuser an. Die Ideen zu Mänteln, Hüten und anderen Kleidungsstücken waren hier zu Hause. Gefertigt wurden sie dann wiederum an anderen Orten, in Heimarbeit in Mietskasernen, von schwindsüchtigen Frauen – aber das ist eine andere Geschichte. Viele der damals international bekannten Modehäuser am Platz sind heute verschwunden. Das liegt vor allem daran, dass ein Großteil von jüdischen Unternehmern geführt wurde. Ab 1933 hatten diese nach nationalsozialistischer Vorstellung arisiert zu werden. Jüdische Eigentümer und Mitarbeiter wurden verfolgt, die Unternehmen arisiert und selbst das Wort Konfektion wurde 1936 für verboten erklärt. War die Berliner Konfektionsindustrie in Bestzeiten mal der zweitgrößte Industriezweig der Stadt, bedeuteten diese Arisierungen und Schließungen das Ende des Hausvogteiplatzes als Modezentrum.
 An diese Zeit und an die schleichende Enteignung und Verfolgung erinnert das „Denkzeichen Modezentrum Hausvogteiplatz“. Wer die Treppen vom U-Bahn-Ausgang zum Hausvogteiplatz hochsteigt, kann die auf den Stufen eingelassenen Namen der jüdischen Modehäuser leicht übersehen. Aber die drei mehr als zwei Meter hohen Spiegel sind dann doch recht auffällig. Sie bilden ein Dreieck und in ihrer Mitte befinden sich jeweils drei Gedenkplatten. Das Denkmal ist von Rainer Görß entworfen worden und erinnert an Ankleidespiegel. Wer vor den Spiegeln steht oder dazwischen schlüpft, kann den gesamten Hausvogteiplatz überblicken. Von den Hochzeiten des Platzes als Modezentrum ist nach Umbau und etlichen Sanierungen jedoch nur noch das Haus zur Berolina mit der Hausnummer 12 erhalten geblieben.  

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Interessanter Artikel. Ich muss unbedingt mal auf die Stufen achten, wenn ich das nächste mal da bin