Dienstag, 29. November 2016

Tauts Erbe und ein Schelm in der Buschallee

Weißensee ist jetzt nicht unbedingt der Bezirk, den ich mit beeindruckenden Sehenswürdigkeiten verbinde. Hier entscheidet das Auge des Betrachters eher über das Schöne und Sehenswerte. Wer aber offenen Auges die Buschallee entlanggeht, kann dennoch einiges entdecken.
Für Architekturbegeisterte sind wohl die wenig verschnörkelten und geradlinigen Bauten von Bruno Taut in der Buschallee einen näheren Blick wert. Denn er und seine vom ihm entworfenen Gebäude verkörpern eine wichtige Epoche der Berliner Architekturgeschichte, in der der soziale Wohnungsbau im Mittelpunkt stand. Freunde des Schalks und der Literatur hingegen können sich an der Eulenspiegel-Figur von Stephan Horota erfreuen. Warum sie hier 1975 aufgestellt wurde? Ich konnte es nicht rausfinden – vielleicht inspirierte eine in der Nähe liegende Schule zu der Figur … Aber dem Possenreißer wurde hier mit der Figur auf einer Stele ein Denkmal gesetzt. Eine ungepflegte, mit Graffiti überzogene Skulptur, zugegeben, aber immerhin. Die literarische Figur hat eigentlich wenig mit Berlin zu tun, nur zwei der vielen Streiche, von denen der Eulenspiegel berichtet, spielen in Berlin. Wer an die Stele tritt, sieht 12 einzelne Relieftafeln, die anscheinend wichtige Stationen von Till Eulenspiegel erzählen. Da lohnt es sich doch mal die Sammlung der Streiche und Episode rund um den Till aufzuschlagen und nachzulesen, welche auf den Tafeln abgebildet sind …

Dienstag, 22. November 2016

Der Hausvogteiplatz - erst gemieden, dann Modezentrum

Kaum vorzustellen, aber Berlin galt mal was in der Modewelt. Lange vor der Fashion Week im 19. Jahrhundert und vor allem in den Goldenen Zwanzigern verkörperte die Berliner Textilbranche auch international eine tragbare und bezahlbare Mode. Zentrum der Berliner Konfektionsindustrie war der Hausvogteiplatz.
Seinen Namen hat der Platz von der Hausvogtei, dem Untersuchungsgefängnis, das bis 1891 an der Nordseite des Platzes stand. Aber seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert siedelten sich rund um den Platz bedeutende Konfektionshäuser an. Die Ideen zu Mänteln, Hüten und anderen Kleidungsstücken waren hier zu Hause. Gefertigt wurden sie dann wiederum an anderen Orten, in Heimarbeit in Mietskasernen, von schwindsüchtigen Frauen – aber das ist eine andere Geschichte. Viele der damals international bekannten Modehäuser am Platz sind heute verschwunden. Das liegt vor allem daran, dass ein Großteil von jüdischen Unternehmern geführt wurde. Ab 1933 hatten diese nach nationalsozialistischer Vorstellung arisiert zu werden. Jüdische Eigentümer und Mitarbeiter wurden verfolgt, die Unternehmen arisiert und selbst das Wort Konfektion wurde 1936 für verboten erklärt. War die Berliner Konfektionsindustrie in Bestzeiten mal der zweitgrößte Industriezweig der Stadt, bedeuteten diese Arisierungen und Schließungen das Ende des Hausvogteiplatzes als Modezentrum.
 An diese Zeit und an die schleichende Enteignung und Verfolgung erinnert das „Denkzeichen Modezentrum Hausvogteiplatz“. Wer die Treppen vom U-Bahn-Ausgang zum Hausvogteiplatz hochsteigt, kann die auf den Stufen eingelassenen Namen der jüdischen Modehäuser leicht übersehen. Aber die drei mehr als zwei Meter hohen Spiegel sind dann doch recht auffällig. Sie bilden ein Dreieck und in ihrer Mitte befinden sich jeweils drei Gedenkplatten. Das Denkmal ist von Rainer Görß entworfen worden und erinnert an Ankleidespiegel. Wer vor den Spiegeln steht oder dazwischen schlüpft, kann den gesamten Hausvogteiplatz überblicken. Von den Hochzeiten des Platzes als Modezentrum ist nach Umbau und etlichen Sanierungen jedoch nur noch das Haus zur Berolina mit der Hausnummer 12 erhalten geblieben.  

Donnerstag, 17. November 2016

Auf einen Spaziergang durch den Wildpark Schorfheide

In Brandenburg soll es wieder Wölfe geben … Wer die und andere einheimische Tiere wie Otter, Wildschweine und Rehe auf dem letzten Waldspaziergang nicht entdecken konnte, kann sie sich im Wildpark Schorfheide in natürlicher Umgebung ganz in Ruhe anschauen.
Gut, natürlich ist vielleicht übertrieben, immerhin sind die Tiergehege eingezäunt. Aber die Gehege sind riesig und mitten in der natürlichen Landschaft angelegt, sodass die Tiere fast wie in freier Wildbahn leben. Für den Besucher bedeuten die großen Gehege aber auch, dass ein Fernglas und etwas Geduld nicht schaden können. Neben einheimischen Wildtieren und solchen, die es früher mal gab wie das Przewalski-Pferd oder der Wisent gibt es auch vom Aussterben bedrohte Haustierrassen zu entdecken. Rinder mit langen Wimpern und Wollschweine, die so knuffig aussehen mit ihren Zotteln. An jedem Gehege lässt sich irgendwo eine Informationstafel entdecken, aber wer das Angenehme mit dem Lehrreichen verbinden will, kommt am besten früh. Denn um 11 Uhr gibt es die Schaufütterung bei den Luchsen und um 11. 30 die bei den Ottern. Die Otter lassen sich auch ohne Fütterung entdecken. Das Luchsgehege allerdings besteht vor allem aus Wald und wer die Katzen nicht verpassen will, bekommt sie wohl nur mit Glück zu sehen oder eben bei der Fütterung. Die Wölfe sind tagsüber fast nicht zu sehen. Wer einen Hundehalter sieht, der zum Gehege geht, sollte sich an diesen ranhängen, denn dann kommen sie, um die Lage zu klären. Ansonsten gibt es noch die Wolfsvollmondnächte, für die man sich anmelden muss. Bei diesen gibt es eine Schaufütterung der Wölfe, aber eben erst abends. Insgesamt gestaltet sich der Besuch vor allem als längerer Spaziergang mit reichlich entspannten Tieren am Wegesrand. Der Eintritt kostet für Erwachsene moderate 7 Euro und wer sich ein oder zwei Snacks eingepackt hat, kann hier schon einige Stunden verbringen.

Dienstag, 15. November 2016

Meeresgott und vier deutsche Ströme auf dem Großfürstenplatz

Im Tiergarten könnte man problemlos Stunden mit der Besichtigung von Denkmälern verbringen, das ein oder andere Kaninchen beobachten oder beim Spaziergang einfach das Herbstlaub rascheln lassen. Ein guter Startpunkt für einen Spaziergang ist der älteste Brunnen des Tiergartens auf dem Großfürstenplatz.
Wenn man es genau nimmt, ist es nicht mehr der älteste Brunnen, sondern vielmehr eine Kopie desselben. Das Original entwarf Josef von Kopf 1888, die Kopie, die 1987 das Original ersetzte, stammt von Harald Haacke. Die Figur des Tritons, der einen Fisch in den Händen hält, ist so klassisch für einen Brunnen, dass die dahinter stehenden Figuren viel spannender sind.
Die vier Figuren sind ein Ensemble verschiedener Künstler, das den Namen „Die vier deutschen Ströme“ trägt. Ursprünglich sollten die Allegorien von deutschen Flüssen auf einer Brücke in der Nähe des Alexanderplatzes stehen. Aber die Brücke wurde abgerissen und so fanden die Figuren ihren Platz auf dem Großfürstenplatz. Die Sandsteinplastiken entstanden von 1860 bis 1870, zu einer Zeit also, wo Deutschland gebietstechnisch etwas anders als heute aussah. Daher ist einer der deutschen vier Ströme auch die Weichsel. Die anderen Figuren verkörpern die Elbe, den Rhein und die Oder. Um den jeweiligen Fluss zu erkennen, braucht es dann ein wenig Kenntnis der Landschaften an den Flüssen. Die Oder, die Weichsel und der Rhein sind leicht zu identifizieren. Ihnen zugeordnet sind ein Bergmann, eine Ährenleserin und die Weinlese. Aber wie ist die Elbe von Alexander Calandrelli zu deuten? Sie wird von Merkur personifiziert. Dem Gott des Handels und der Nachricht. Neben ihm steht ein Knabe mit seiner Börse in der Hand. Aber was hat der sitzende Mann in der Hand?

Dienstag, 8. November 2016

Ein Denkmal der Hoffnung und Verzweiflung am Bahnhof Friedrichstraße

Am Südausgang des Bahnhofs Friedrichstraße steht das Denkmal „Züge in das Leben – Züge in den Tod“ und erinnert an eine Rettungsaktion, die Tausende Kinder vor dem Tod bewahrte.
Wer nicht gerade gestresst auf dem Weg zur nächsten Bahn ist, dem fallen die Kinderfiguren in der Nähe des Eingangs in den Blick. Die Plastik erinnert an die Kindertransporte mit denen Minderjährige, die nach nationalsozialistischer Vorstellung jüdisch waren, in England Obdach fanden. Die Pogromnacht am 9. November machte nicht nur vielen jüdischen und christlichen Gemeinden deutlich, dass jüdische Kinder in Deutschland nicht mehr sicher waren. Verschiedene Länder lockerten die Einreisebestimmungen und so konnten 10.000 jüdische Kinder gerettet werden. In Erinnerung an diese Kindertransporte stehen auch Denkmale in London und Danzig.
Die Plastik von Frank Meisler, selbst eines der geretteten Kinder, ist zweigeteilt. Denn es erinnert sowohl an die Rettungsaktion als auch an das, was mit den anderen geschah … Diese Zweiteilung zeigt sich in zwei Kindergruppen, die sich den Rücken zuwenden und mit unterschiedlicher Patina überzogen sind. Während zwei Kinder in hellem Bronzeton einer mehr oder weniger sicheren Zukunft entgegenreisen, blicken die anderen fünf in grau gehaltenen zur Seite und stehen für die fast zwei Millionen Kinder, die in den Konzentrationslagern starben.
Standort und Ausführung des Denkmals waren und sind nicht unumstritten. So argumentierte die zuständige Senatsverwaltung, dass die Darstellung zu kitschig und undidaktisch sei. Zeitzeugen und Historiker hingegen bemängelten, dass die Transporte überwiegend vom Anhalter Bahnhof aus starteten. Um den Kritikern gerecht zu werden, sind gegenüber dem Denkmal Informationstafeln mit Erläuterungen angebracht. Kitschig mag die Skulptur sein, in der selbst in den Koffern Details herausgearbeitet sind. Aber mangelnde Didaktik würde ich dem Ensemble nicht unterstellen, denn im Gegensatz zu manch abstrakten Klötzen lässt sich klar erkennen, worum es geht. Dass der Ort trotz all der Hektik zum Erinnern einlädt, zeigen die frischen Blumen, die in den Händen oder zu Füßen der Figuren zu finden sind. 

Donnerstag, 3. November 2016

Zwei Kinder unterm Regenschirm

Es regnet, es regnet, die Erde wird nass … An der Danziger Straße macht das schlechte Wetter zwei Kindern nichts aus. Na gut, es sind ja auch keine echten Kinder, sondern Figuren eines Tröpfelbrunnens, der zwischen Bäumen und gelbem Herbstlaub leicht zu übersehen ist.


Es muss nicht immer eine meterhohe Fontäne oder ein spektakuläres Wasserspiel sein, um das Auge zu erfreuen. Kinder unterm Regenschirm, so wie der Brunnen auch offiziell heißt, reichen schon aus. Der Brunnen ist vom Künstler Stefan Horota und wurde 1974 aufgestellt. Angeblich hat er diesen Brunnen als Denkmal für die Kinder des Prenzlauer Bergs geschaffen. Ein Mädchen und ein kleiner Junge stehen unter einem Regenschirm und das vom Schirm herabtropfende Wasser fängt der Junge mit seinen Händen auf. Entspannt und gelassen trotzen sie dem ewig tröpfelnden Wasser. Nachgüsse des Brunnens stehen auch in Schwerin unter dem Namen „Schirmkinder“ und in Fürstenwalde – wobei dort wiederum vom in Berlin stehenden Nachguss gesprochen wird. Wo nun das Original steht und ob der Brunnen einen tieferen Sinn als Wohlgefallen beim Anschauen hat, kann wohl nur der Künstler beantworten … 

Dienstag, 1. November 2016

Früher Kirche, heute Heißer Draht - Die Memoria Urbana

Auf dem Bethlehemkirchplatz steht eine Ansammlung aus Metall, die aus der Ferne wie eine Kuppel und aus der Nähe wie ein Heißer Draht aussieht. Da aber nirgendwo Stangen mit Ösen rumliegen, ist es wohl eher nicht ein Spiel, sondern irgendetwas Bedeutsames.
Neben der Metallskulptur befindet sich auf dem Platz noch ein buntes, rundes Etwas. Das ist der Houseball von Claes Oldenburg, der zusammengeknüllte Habseligkeiten eines Flüchtlings darstellen soll. Beide Installationen erinnern an die Böhmische Bethlehemskirche, die auf diesem Platz stand. Sie wurde im 18. Jahrhundert für die böhmische Gemeinde erbaut. Zu der Zeit flüchteten zahlreiche Böhmen aufgrund von religiöser Verfolgung und siedelten sich in Berlin an. Daher galt die Kirche als Symbol der Toleranz und Einwanderung.  Während der Ball sich nicht ganz so leicht der Kirche zuordnen lässt, ist auf dem zweiten Blick die Metallinstallation als Rekonstruktion des Gebäudes zu erkennen. Sie ist ein Geschenk des Künstlers Juan Garaizabal. Seine Installationen in verschiedenen Städten thematisieren leere Räume in der Stadt. Angeblich soll die Memoria Urbana des Nachts sogar beleuchtet sein. Den Platz aber als leeren Raum im wortwörtlichen Sinne zu bezeichnen, erscheint mir dann aber übertrieben, den abgesehen vom Ball und den Metallpfeilern zeichnet auch ein Mosaik im Boden die Umrisse des Kirchengrundrisses nach. Gedenken und Erinnern im öffentlichen Raum sind wichtig, aber auf dem Bethlehemkirchplatz erscheint es mir etwas zu viel des Guten …