Montag, 17. August 2015

Streifzug durch den Tiergarten (4) – Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus

Nicht mehr direkt im Tiergarten, aber nur durch eine Straße vom Park getrennt, ist der Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde. Eine blaue Glaswand und eine lange Informationstafel erinnern an die Opfer der Aktion T4.


Schon auf dem Weg durch den Tiergarten sehe ich neben der Philharmonie einen großen blauen Fleck. Das ist auch die erste Frage, die ich mir stelle, als ich vor dem Denkmal stehe: Warum ist die Glaswand blau? Keine Erklärung auf der langen Informationstafel. Aber dieses dunkle Pult hat viele andere Fakten zu bieten. Ganz allgemeine über die sogenannte Aktion T4 und individuelle Geschichten von 13 Personen, die exemplarisch für die Opfer stehen. Visualisiert werden die Geschichten durch Bilder und Audio- bzw. Videostationen. Das ganze Denkmal ist wirklich informativ. Für mich stecken da viele neue Informationen drin. Ich wusste nicht mal, dass der Name T4 von der Tiergartenstraße Nummer 4 kommt, wo das Gebäude stand, in dem nationalsozialistische Bürokraten beschlossen, Personen mit körperlicher, geistiger oder psychischer Behinderung zu vergasen.  



Aber das mit der blauen Wand, die etwa 30 Meter lang und drei Meter hoch ist, bekomme ich erst später raus. In der Kombination mit der dunklen Farbe des Pults steht das Blau für die Richtung zum Himmel. Doktor Google verrät mir auch, dass die Stadt Berlin es eigentlich bei den zwei gebogenen Stahlplatten an der Philharmonie mit einer eingelassenen Gedenktafel belassen wollte. Das war besonders für die Betroffenen enttäuschend, denn diese Stahlplatten wurden nicht speziell als Denkmal für die Euthanasie-Opfer entworfen und zudem war  auf den ersten flüchtigen Blick nicht mal zu erkennen, dass es mehr als nur ein Kunstwerk am Wegesrand war. Erst 2011 beschloss der Bundestag ein größeres Denkmal und mit der leuchtenden blauen Wand kann man das nun wirklich nicht mehr übersehen.

Sonntag, 9. August 2015

Streifzug durch den Tiergarten (3) – Das Global Stone Projekt

Obelix‘ Hinkelstein und Stonehenge in Berlin? In Sichtweite zum Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen befindet sich eine auffällige Steinanordnung, die sich als das Global Stone Projekt herausstellt.




Am Wegesrand auf einer grünen Wiese liegen im Tiergarten verschiedenste Steine. Der eine sieht aus wie ein Hinkelstein, dann gibt es einen Steinkreis, einen roten, einen weißen Felsen und eine weitere Ansammlung von kleineren Steinen. Als ich näher komme, sehe ich, dass alle in irgendeiner Form bearbeitet sind und Schriftzeichen aufweisen. Als erstes finde ich heraus, dass die Steine von fünf Kontinenten kommen. Es beginnt ein lustiges Herkunftsraten, bei dem ich mit Bravour daneben liege. Eine Tafel gibt Auskunft über den Sinn des Projekts und erklärt, dass besonders typische Steine aus dem jeweiligen Land genutzt wurden. Zugegeben ich war in keinem der Länder, aber der Stein aus Venezuela erinnert mich an Australien und der Kreis mit Steinen aus Bhutan an Groß Britannien… 


Bei dem ganzen handelt es sich um ein Kunstprojekt von Wolfgang Kraker von Schwarzenfeld. Die Steine kommen jeweils aus Russland, Venezuela, Australien, Südafrika und Bhutan. Dabei sollen sie die Verbundenheit der Kontinente verdeutlichen und die jeweiligen eingravierten Buchstaben Erwachen, Liebe, Frieden, Hoffnung und Vergebung stehen für die wichtigsten Schritte zum weltweiten Frieden. Der Künstler hat in den Herkunftsländern einen Gegenpart bearbeitet und platzieren lassen. Seine Erfahrungen in den Ländern und die Schwierigkeiten mit bürokratischen Hürden beschreibt er auf seiner Homepage. So gibt es in Australien und Venezuela aus verschiedenen Gründen kein Gegenstück mehr. 



Die Bearbeitung und die Ausrichtung der Steine sollen dazu führen, dass die reflektierten Sonnenstrahlen die Steine zur Sommersonnenwende verbinden. Klingt für mich kompliziert. Vielleicht sollte ich nächstes Jahr zur Sommersonnenwende am 21. Juni mal die kostenlose Führung des Künstlers direkt vor Ort besuchen…

Freitag, 7. August 2015

Streifzug durch den Tiergarten (2) – Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus

Direkt gegenüber vom Holocaust-Mahnmal steht im Tiergarten das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Mit wenigen Schritten über die Ebertstraße ist die Betonstele erreicht.




Für mich ist das Denkmal eine kleine Enttäuschung. Im Vergleich zu der bedrückenden Anordnung der Stelen beim Holocaust-Mahnmal oder dem bis hin zum Boden durchdachten Konzept des Denkmals für die Sinti und Roma, steht hier wirklich nur ein großer schwarzer Betonklotz. Mit Absicht ist vom Architekten diese Form gewählt worden, um an die 2711 Stelen anzuknüpfen, die an die jüdischen Opfer erinnern. An sich steht aber eben nur ein Betonquader am Wegesrand. Von der Gedenktafel, die nach Angaben der betreuenden Organisation vorhanden ist, kann ich samt Begleiterin nichts entdecken. Wer also nicht weiß, dass es sich hier um ein Denkmal handelt, kann den angrenzenden Weg entlang gehen und sieht nur einen Stein. An der Stele befindet sich ein kleines Fenster. Durch dieses Fenster kann man ein Video sehen. Ich sehe erstmal nichts, da das Glas von innen beschlagen ist… Dann mit einer etwas schiefen Kopfhaltung sehe ich eine kurze Filmsequenz von zwei sich küssenden Männern. Irgendwie schade, dass es keine Informationen gibt. Wer wissen will, wie das genau war, mit der Homosexualität im Nationalsozialismus muss halt selber mal ein Buch zur Hand nehmen oder Google fragen.  Aber auf der Gedenktafel steht ja auch (zumindest das habe ich nachgeguckt), dass das Denkmal die Opfer ehren soll und ein Zeichen gegen Intoleranz und Ausgrenzung sei. Vielleicht ist bei diesem Anliegen Schlichtheit Trumpf und ich nur verwöhnt von pompösen mit dem Zaunpfahl arbeitenden Mahnmalen?

Mittwoch, 5. August 2015

Streifzug durch den Tiergarten (1) – Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus

Die überall zu entdeckenden Stolpersteine und das Holocaust-Denkmal kennt jeder Berliner. Rund um den Tiergarten gibt es aber auch verschiedene Erinnerungsorte im Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus, die im klassischen Schulunterricht oft untergehen. Am Simsonweg liegt das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas.




Der Simsonweg ist kleiner Pfad der vom Platz der Republik durch den Tiergarten zur Ebertstraße führt, also gewissermaßen vor das Brandenburger Tor. Auf dem Weg gibt es nichts Besonderes zu entdecken, es sei denn man findet Bäume oder auf Bänken sitzende Menschen herausragend. Das Denkmal ist umgeben von einer gläsernen Wand und ist schnell ausgemacht. Auf der Außenseite dieser gläsernen Zaunvariante sind Informationen in englischer Sprache zum Porajmos zu finden. Der Begriff bezeichnet in der Sprache der Roma den Völkermord an den europäischen Roma. Auf der Innenseite der gläsernen Wand gibt es die Chronik dann in deutscher Sprache. Zentrum des Denkmals ist der Brunnen mit einem dreieckigen Stein in der Mitte. In diesem kleinen runden Wasserbecken steckt viel Symbolik: Die dreieckige Form erinnert an die Stoff-Dreiecke, die KZ-Insassen tragen mussten. Auf dem Stein liegt eine Blume, die für Leben und Trauer zugleich stehen soll. Wenn die Blume verwelkt, wird der Stein in einen nicht sichtbaren Raum versenkt und gegen eine frische ausgetauscht. Das soll immer um die Mittagszeit passieren. Ich habe es nicht gesehen, stelle es mir aber schon beeindruckend vor. Am Rand des Brunnens ist etwas, was ich simpel als Rille bezeichnen würde. In dieser „Rille“ ist um den Brunnen herum das Gedicht „Auschwitz“ von Santiano Spinelli eingraviert. 



Neben dem Brunnen haben mich die im Boden eingelassenen Steine beeindruckt. Auf einigen von ihnen sind Namen eingraviert. Wer genau hinguckt, wird die Namen der Orte lesen, in denen KZs waren. Und während ich die Informationstafel lese, wird es mir schon unheimlich, wie wenig ich darüber weiß. Eine halbe Million Roma sollen Schätzungen nach getötet worden sein. Dabei ist Roma und Sinti nur ein Oberbegriff für viele verschiedene Gruppen, die auch heute noch teilweise Verfolgungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Und während ich so lese, ist leise eine Geige zu hören. Lautsprecher in den umliegenden Büschen und Bäumen spielen mal leiser und lauter eine Komposition von Romeo Franz…